Blumen sind wundervoll. Ich liebe vor allem rote Tulpen im Frühjahr. Es macht mich sehr glücklich, einen Strauß Tulpen geschenkt zu bekommen, am liebsten von Herzen und ohne Auftrag. Ja, so ist das wohl häufig, wir wünschen uns selbst etwas von Herzen und gleichzeitig lassen wir andere Menschen das gar nicht wissen. Oder wir formulieren unsere Bedürfnisse wenig charmant – „Du hättest mir ja ruhig noch einen Strauß Tulpen mitbringen können.“. Die Folge ist, dass wir von Anderen nicht gehört werden und unsere Bedürfnisse unbefriedigt bleiben.
Über das Thema Bedürfnisse habe ich bei einem Jahrestraining zur Gewaltfreien Kommunikation (GFK), gefördert durch die SAB, viele sehr grundlegende Dinge gelernt.
1. Learning: Wir tragen allein die Verantwortung für die Erfüllung unserer Bedürfnisse.
Wer sich jetzt sagt, das habe ich doch schon alles gewusst mit der Verantwortung usw., der wird beim spontanen Realitätscheck jedoch erleben, dass wir wider besseren Wissens meistens nicht in der Lage sind, das Ganze anzuwenden. Aus meiner Sicht liegt das zum einen an dem zu geringen Training eines Kommunikationsverhaltens, das förderlich im Sinne von Kooperation und Teamzusammenarbeit ist. Zum anderen kennen wir zwar Tools und haben Wissen aus Kommunikationstrainings, aber wir haben die entsprechende Haltung zu diesem Thema noch nicht verinnerlicht. Manchmal fehlt Offenheit, unseren Anteil an Konflikten, hervorgerufen durch unser eigenes Kommunikationsverhalten, zu reflektieren, weil wir Konsequenzen befürchten. Üblicher Weise ist ein konstruktiver Umgang mit Fehlern kein selbstverständlicher Teil unserer Kommunikationskultur. Die gute Nachricht ist, dass man das jedoch lernen kann! Die Bereitschaft zur Reflexion sehe ich bei vielen Menschen. Genauso die Bemühungen von Unternehmen, Kommunikation und Feedbackkultur aktiv in ihren Strukturen einbauen zu wollen. Was letztendlich oft fehlt ist die richtige Sprache, um in der Reflexion über Kommunikationssituationen nicht schon wieder für neue Missverständnisse und unbeabsichtigte Konflikte zu sorgen. Diese Sprache lässt sich gut über GFK erlernen, denn wir benennen klar, worüber wir eigentlich gerade sprechen.
2. Learning: Unsere Bedürfnisse genau zu (er)kennen und auszudrücken, ist der erste Schritt in Richtung Kooperation und Zusammenarbeit.
Oft
wissen wir nicht genau, welche Bedürfnisse wir konkret haben, geschweige denn, wie
wir sie klar ausdrücken können. Das ist immer wieder die Krux beim Thema
Kommunikation: Wir alle nutzen sie täglich und wir alle meinen, total fit darin
zu sein, denn schließlich sind wir geübt. Wir kommunizieren jeden Tag mit
anderen Menschen über verschiedenste Themen des Lebens und im gleichen Moment
müssen wir feststellen, dass Missverständnisse leider häufig an der
Tagesordnung sind. Die sich daraus ergebenden Konflikte sind mitunter
herausfordernd und rauben uns Kraft und Energie, die uns wiederum fehlen für
Dinge, die uns wirklich wichtig sind.
Im Arbeitskontext belasten uns zwischenmenschliche Konflikte mehr als
Überstunden, die vielleicht nur für eine gewisse Zeit anfallen. Die Konflikte
sind außerdem für viele deshalb so belastend, weil sie keine Ideen haben, wie
sie sie lösen können. Somit scheint Verdrängung ein beliebtes Mittel des
Umgangs, nur leider bleiben damit Chancen authentischer Begegnung und
Ressourcen, die das Potenzial einer nachhaltigen Lösung haben, auf der Strecke.
Die Arbeitsatmosphäre leidet und damit einhergehend die Gesundheit des
Einzelnen.
Zurück zum Tulpenbeispiel und der Frage, was das mit GFK zu tun hat und warum es dich zukünftig besser arbeiten lässt. Die GFK ist in den 90er Jahren entstanden und geht auf den amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg zurück. Grundlegend für diesen Kommunikationsansatz ist die Unterscheidung zwischen Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte.
Unsere Konflikte innerhalb unserer Kommunikation entstehen vor allem dadurch, dass wir diese Bereiche nicht klar voneinander trennen. Dass wir zum Beispiel von Beobachtungen sprechen, aber eigentlich gerade dabei sind, Interpretationen aufzustellen. Dass wir meinen, ein Gefühl zu haben, aber in dem Moment nur einen Gedanken äußern. Dass wir vermeintlich über Bedürfnisse verhandeln (die allerdings nicht verhandelbar sind), sondern über Bedürfnisstrategien, also über Wege der Bedürfniserfüllung. Dass wir denken, gerade eine Bitte ausgesprochen zu haben, es sich bei genauer Betrachtung aber um einen Vorwurf oder eine Forderung handelt.
Der Unterschied zwischen Bitte und Forderung ist, dass eine Bitte die Freiheit einschließt, sich gegen ihre Erfüllung zu entscheiden. Die Person, die eine Bitte ausspricht, lässt dem Gegenüber die freie Wahl. Genau das hat bei mir mit den Tulpen funktioniert. Ich wollte gern einen neuen Strauß auf meinem Tisch. Ganz klar, mein Bedürfnis. Ich hätte sie mir gekauft, um eben die Verantwortung für meine Bedürfniserfüllung zu übernehmen und gleichzeitig habe ich meinen Mann gefragt, ob er Lust hätte, mir eine Freude zu erfüllen. Ich wollte ihm diese Gelegenheit geben. Hätte er es abgelehnt, aus welchen Gründen auch immer, wäre es kein Problem für mich gewesen, dann wäre ich eben schnurstracks zum nächsten Blumenladen und hätte mir selbst diese Freude bereitet.
Ich gebe zu, dass die Hürde für meinen Mann, mich bei meinem Bedürfnis nach frischen Tulpen zu unterstützen nicht so groß war. Anders sieht es aus, wenn wir Kolleg*innen um etwas bitten, was uns wirklich wichtig ist und gleichzeitig befürchten müssen, dass wir keine Unterstützung erhalten.
Die gute Nachricht ist, dass die meisten Menschen von Natur aus kooperativ sind und gern zur Bedürfniserfüllung anderer beitragen wollen. Die schlechte Nachricht ist, dass wir eben nicht gelernt haben, Bitten auszusprechen und dann frustriert sind, wenn wir mit Forderungen und Vorwürfen nicht weiterkommen und unser Gegenüber nicht erreichen.
Marshall B. Rosenberg hat für seine Arbeit zwei Bilder benutzt, um den unterschiedlichen Sprachstil, den wir verwenden zu markieren. Er spricht von der Wolfssprache, einem gewaltvollen Kommunikationsstil, so wie wir ihn anwenden bei Vorwürfen. Dem gegenüber gibt es die Giraffensprache, die wir benutzen, wenn wir echte Bitten formulieren und wenn wir gelernt haben, klar zwischen Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und eben Bitte zu unterscheiden, kognitiv und sprachlich.
3. Learning: Aktiv zuzuhören bedeutet nicht, eine Sprechpause zu machen, sondern zu hören, was mir der andere gerade mitteilen möchte, selbst dann, wenn er oder sie es gar nicht formuliert.
An dieser Stelle kommen wir wohl an den herausforderndsten Punkt in der GFK. Die Kür besteht darin, die Bedürfnisse und Bitten von Kolleg*innen zu hören, selbst oder gerade dann, wenn sie uns gegenüber Vorwürfe äußern. Bekommt man so etwas erst einmal vor die Nase gesetzt, fühlen sich vermutlich die Wenigsten dazu imstande, freundlich und einfühlsam zuzuhören. Das Gespräch findet seine Fortsetzung eher darin, dass wir unsererseits nun Vorwürfe formulieren und quasi zurückschlagen. Beispiele für solch einen Schlagabtausch von Argumenten und Rechtfertigungen gibt es genug und sie sind entfernt von jeglicher konstruktiven Lösungsfindung. Was genau kannst du tun, um das zu ändern?
In der GFK spricht man vom aktiven Zuhören. Es setzt zunächst die Einstellung meinerseits voraus, dass mein Gegenüber mit seinem Vorwurf eine gute Absicht verfolgt, nämlich die, sich selbst mitzuteilen. Leider geschieht das in einem wenig förderlichen Modus.
Du kannst es gern mal ausprobieren, wie sehr sich die Betrachtung eines Konfliktes schon allein durch deine veränderte Haltung verändert. Denk an einen vergangenen Konflikt mit einer Person zurück. Nun stell dir vor, dass diese Person, als sie den Vorwurf geäußert hat das Beste und Schönste getan hat, was ihr in diesem Moment zur Verfügung stand.
Wenn du in dir wirklich zu dieser Einstellung gefunden hast, dann wird das in dir einen inneren Frieden auslösen. Der Groll und die negative Energie in dir verschwinden.
Wenn du dich jetzt im zweiten Schritt fragst, was dir diese Person eigentlich wirklich hatte sagen wollen, dich fragst, was die gute Absicht hinter dem Vorwurf war, welches Bedürfnis sich für die Person erfüllt hat, als sie den Vorwurf gegen dich erhoben hat, dann kommst du der Einstellung und der Offenheit, die eine Giraffensprache, also eine gewaltfreie Sprache, voraussetzt schon sehr nah. Du wirst innerlich weich und öffnest dich, um wirklich hören und verstehen zu wollen, was die andere Person dir sagen möchte.
Wenn du in einem Gespräch mit Vorwürfen attackiert wirst, hast du die Möglichkeit, wie folgt vorzugehen:
- Ruhig bleiben, die andere Person aussprechen lassen.
- Verständnisfragen stellen, indem du möglichst die gleichen Worte deines Gegenübers verwendest (Zitatstil): „Du hast gesagt … Meinst du damit …? … oder kannst es mir nochmal in anderen Worten sagen, denn ich habe es noch nicht verstanden.“
- Du kannst versuchen nach Bedürfnissen zu fragen. „Ich habe verstanden, dass es du dir … wünschst. Brauchst du (Bedürfnis erfragen), z.B. Klarheit, Vertrauen, Anerkennung … von mir/den Kolleg*innen?
- Nun kannst du fragen, ob du alles richtig verstanden hast oder ob es noch etwas zu ergänzen gibt.
- Dann kannst du anfangen von dir zu sprechen, in der Reihenfolge Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte, z.B. so: „In unserem Gespräch habe ich gerade erlebt, dass du sehr laut zu mir gesagt hast, dass ich zu spät aus der Pause zurückgekommen bin (Beobachtung). Mir hat deine Lautstärke einen Schreck eingejagt und ich war gleich etwas unsicher (Gefühl), weil ich keine Klarheit (Bedürfnis: braucht Klarheit) darüber habe, was der Grund für deine Lautstärke war. Bist du ärgerlich, weil du dir Zuverlässigkeit von mir wünschst (aktives Zuhören: Frage nach Gefühl und Bedürfnis)? Wäre es für dich ok, mir jetzt nochmal kurz zu sagen, was bei dir los ist, damit wir das klären können (Bitte – hier besteht die Möglichkeit, dass die andere Person NEIN dazu sagt)?“
Nun sind die von mir hier angesprochenen Dinge nicht so schnell erlernbar und brauchen Training sowie Selbsterfahrung. Meine Vorschläge für den Umgang mit Konflikten soll für den Anfang zeigen, dass es Möglichkeiten gibt, Konflikte mit der Anwendung von GFK konstruktiv zu lösen und das würde dich definitiv entspannter arbeiten lassen.
Ich bin sehr dankbar, dass ich im letzten Jahr die Chance hatte, dass mich die Sächsische Aufbaubank als Soloselbstständige mit einer Förderung für ein Jahrestraining GFK unterstützt hat. Förderungen für Weiterbildungen wie diese tragen dazu bei, die Qualität der Arbeit zu sichern.
Gern möchte ich mein erlerntes Wissen und meine Erfahrungen in Team- und Einzelcoachings teilen.
Wenn du gleich Lust bekommen hast, mehr über das Thema und meine Arbeit zu erfahren, dann schau direkt bei meinem XING Eventvorbei. Ich freue mich über unseren Austausch!